Vorsorgeauftrag – auch für Immobilieneigentümer sinnvoll?

Ein Beitrag von lic. iur. HSG Pascal Wirth, Rechtsanwalt.

03/07/2023

Vor zehn Jahren wurde im Rahmen der Erneuerung des Erwachsenenschutzrechts mit dem Vorsorgeauftrag (Art. 360 ff. ZGB) ein sehr wichtiges Instrument geschaffen, welches es ermöglicht, Verantwortung für sich selbst und seine Nächsten zu übernehmen, falls man urteilsunfähig werden sollte. Nicht nur, aber speziell, wenn man Eigentümer einer Wohnung oder eines Hauses ist, kann ein Vorsorgeauftrag äusserst zentral sein.

 

Der Vorsorgeauftrag wird von der zuständigen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) in Kraft gesetzt (sog. validiert), wenn jemand beispielsweise infolge Altersschwäche, eines Unfalls oder einer Krankheit nicht mehr urteilsfähig ist, also keine oder keine vernünftigen Entscheidungen mehr treffen kann. In diesem Moment ist man auf die Unterstützung von Dritten angewiesen, die sich um die notwendigen Belange kümmern. Während die KESB ohne Vorsorgeaufwand einen Beistand bestimmt, wird bei Vorliegen eines korrekt abgefassten Vorsorgeauftrages die darin eingesetzte Person bzw. Personen als Beauftragte bestätigt. Der Vorsorgeauftrag geht dementsprechend behördlichen Massnahmen vor.

Neben einer handschriftlichen Erstellung des Vorsorgeauftrags gibt es auch die Möglichkeit der öffentlichen Beurkundung. Wir empfehlen, sich dabei kompetente Unterstützung zu suchen, da es zwar sehr viele Vorlagen im Internet gibt, diese aber nicht immer auch gut sind.

 

Immobiliengeschäfte gehören im Vorsorgeauftrag zur sogenannten Vermögenssorge, also zur Besorgung der Finanzen. Es empfiehlt sich, diese Aufgaben im Auftrag konkret zu definieren, da es umstritten ist, ob Verkauf, Kauf oder Belehnung von Grundeigentum zu den Kompetenzen des Beauftragten zählt, wenn dies nicht explizit erwähnt ist. Jegliche Immobilienangelegenheiten gehören üblicherweise zu den sogenannten ausserordentlichen Verwaltungshandlungen und diese brauchen die Zustimmung der KESB, wenn man sie nicht im Vorsorgeauftrag explizit erwähnt hat.

 

Dabei sind unter anderem folgende Konstellationen denkbar:

 

  • Mein Ehemann ist dement und lebt zuhause. Da er für eine sichere Fortbewegung auf einen Rollator angewiesen ist, möchte ich das Badezimmer in unserem Haus mit unseren Ersparnissen rollstuhlgängig umbauen. Mit einem Vorsorgeauftrag kann ich dies in Auftrag geben, ansonsten brauche ich die Zustimmung der KESB.

 

  • Ich möchte für meine urteilsunfähige Partnerin einen Treppenlift in unserem Haus einbauen. Dieser soll durch eine Erhöhung der Hypothek finanziert werden, da ich unsere Ersparnisse nicht dazu verwenden möchte. Als Vorsorgebeauftragter kann ich dies zusammen mit der Bank machen, ohne brauche ich die Zustimmung der KESB.

 

  • Mein Vater ist verstorben, daher kann meine demente Mutter nicht mehr in der Eigentumswohnung bleiben. Wenn ich Vorsorgebeauftragter bin, so kann ich den Verkauf abwickeln, ansonsten muss die KESB den Verkauf, den Kaufpreis und den Käufer bewilligen.

 

Diese drei einfachen, aber immer wieder vorkommenden Beispiele zeigen auf, dass ich mit einem bedacht erstellten Vorsorgeauftrag nicht nur mich selber bzw. meine Finanzen schütze, sondern auch meinen Angehörigen viel Arbeit und Geld abnehmen kann. Zudem ist es auch für den Käufer einer Liegenschaft, die von einer dementen Person verkauft wird, deutlich einfacher, wenn die Abwicklung von einem Vorsorgebeauftragten und nicht von der KESB koordiniert gemacht wird.

 

Es gibt auch Fälle, in denen der Eigentümer klar bestimmen möchte, an wen (bestimmte Familienmitglieder), zu welchem Preis oder wann (nach Eintritt in ein Pflegeheim) das Eigenheim verkauft werden soll. Wenn er diesen Auftrag konkret in den Vorsorgeauftrag aufnimmt, so hat er die Gewissheit, dass er weiss, was mit dem Heim geschieht, wenn er nicht mehr selbst bestimmen darf. Andererseits hat der Beauftragte einen klaren Auftrag, was ihm die Ausführung erleichtert.

 

Vor diesem Hintergrund ist es klar, warum wir am Anfang erwähnt haben, dass die Erstellung eines Vorsorgeauftrags heisst, Verantwortung für sich selbst, aber auch für seine Nächsten zu übernehmen. Indem ich klare Aufträge formuliere, wo es mir wichtig ist, helfe ich mir selbst aber auch den Vorsorgebeauftragten. Die Erstellung eines Vorsorgeauftrags ist für jede Person wichtig, besonders sinnvoll ist sie aber gerade, wenn man Grundeigentum hat.

 

Abschliessend gilt zu erwähnen, dass die irrtümliche Annahme, als Ehepartner hat man weitgehende Rechte und darf neben dem Öffnen der Post auch entscheiden, wann der Partner in ein Heim muss und ob ich das Haus verkaufen darf, sich zwar hartnäckig hält, aber leider falsch ist. Die Ehegattenvertretung bei Urteilsunfähigkeit gibt es erst seit 2013 und geht überhaupt nicht weit. Sie umfasst mehr oder weniger nur das Öffnen der Post und das Zahlen der Rechnungen. Weitergehende Handlungen sind nur möglich, wenn ein Vorsorgeauftrag besteht oder wenn die KESB sie erlaubt.

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Pascal Wirth
lic. iur. HSG, Rechtsanwalt

 

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